Das Thema Laufen und Sport im Freien während der kalten Wintermonate polarisiert: Einerseits gibt es Befürchtungen bezüglich Erkältungen und Verletzungsrisiken, andererseits wird die gesundheitsfördernde Wirkung von Bewegung an der frischen Winterluft hervorgehoben. Doch was sagt die Wissenschaft? Die Antwort ist differenziert – wie so oft hängt vieles von individuellen Faktoren ab, darunter Kleidung, Trainingsstand und Temperaturbedingungen.
Die Physiologie des Körpers bei Kälte
Kalte Temperaturen beeinflussen den Körper auf mehreren Ebenen:
- Muskelkontraktion und Verletzungsrisiko: Bei Kälte ist die Kontraktionskraft und Ausdauer der Muskeln reduziert, insbesondere wenn die Skelettmuskulatur stark abgekühlt ist. Das bedeutet, sie ermüden schneller und sind anfälliger für Zerrungen oder Verletzungen. Ein gründliches Aufwärmen ist essenziell, um diesem Risiko entgegenzuwirken.
- Stoffwechselaktivität: Kälte beeinflusst den Stoffwechsel. Bei niedrigen Temperaturen kommt es zu einer verstärkten Glykolyse und damit schnelleren Abbau von Muskelglykogen und einem Anstieg an der Blutlaktatkonzentration. Intensivere Belastungen könnten dies aber abmildern.
- Herz-Kreislauf-System: In kalter Umgebung ist die Herzfrequenz bei gleicher Arbeitsbelastung niedriger, was auf die periphere Vasokonstriktion (Verengung der Blutgefäße) zurückzuführen ist, die das Blut in den Körperkern umleitet. Gleichzeitig zeigt sich bei submaximalen Belastungen ein höherer Sauerstoffverbrauch (VO2) im Vergleich zu milderen Temperaturen. Der Körper benötigt mehr Energie für die Wärmeproduktion, um die Körperkerntemperatur aufrechtzuerhalten. Auch hier: Dieser Effekt nimmt mit steigender Trainingsintensität ab.
Immunsystem und Belastungsintensität
Moderates Training in der Kälte kann das Immunsystem stärken, da sie die Produktion entzündungsfördernder Zytokine wie IL-1β und IL-6 reduziert. Dies hat positive Effekte und wirkt potenziell entzündungshemmend.
Vorsicht ist jedoch bei sehr intensiven Belastungen geboten: Diese können immunsuppressiv wirken und könnten das Risiko für Infektionen, wie Erkältungen, erhöhen. Ein Zusammenhang mit der Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Noradrenalin wird diskutiert, ist jedoch noch nicht vollständig erforscht.
Die Rolle der Kleidung und Anpassung
Ein entscheidender Faktor ist die richtige Kleidung. Sie schützt vor Unterkühlung und hält die Körpertemperatur während des Trainings stabil. Schichtensysteme mit atmungsaktiver und wärmeisolierender Kleidung sind ideal.
Auch die Anpassungsfähigkeit des Körpers an Kälte spielt eine Rolle. Regelmäßiges Training bei niedrigen Temperaturen kann eine Toleranz entwickeln und die Stressreaktionen des Körpers reduzieren. Unerfahrene Läufer*innen hingegen sind anfälliger für kältebedingte Probleme.
Offene Fragen der Forschung
Obwohl Bewegung in der Kälte viele positive Aspekte bietet, bleiben einige Fragen ungeklärt:
- Wie wirken sich extrem kalte Bedingungen (< 0°C) auf den Körper aus? Das wurde oft in den Studien nicht getestet.
- Welche Rolle spielt spezifische Winterbekleidung für die Leistungsfähigkeit?
- Gibt es Unterschiede zwischen trainierten und untrainierten Personen im Umgang mit Kälte?
- Wie genau hängt intensive Belastung in extremer Kälte mit einem erhöhten Infektionsrisiko zusammen?
Fazit: Laufen im Winter – ja, aber richtig!
Mit der richtigen Vorbereitung kann das Laufen in der kalten Jahreszeit eine gesundheitsfördernde Wirkung haben. Dafür ist wichtig:
- Warme, funktionelle Kleidung tragen.
- Gründlich aufwärmen, um Verletzungen vorzubeugen.
- Die Belastungsintensität anpassen und Überanstrengung vermeiden.
Moderate Bewegung stärkt das Immunsystem, während intensive Belastungen das Risiko für Infekte erhöhen könnten. Entscheidend ist, auf den eigenen Körper zu hören und die Bedingungen individuell anzupassen.
Quelle: LaVoy ECP, McFarlin BK, Simpson RJ (2011) Immune responses to exercising in a cold environment. Wild Environ Med 22: 343–351.